Bereisen von Ländern mit fragwürdigem Regime

Begonnen von hannes, April 19, 2008, 22:00:54

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hannes

Vielen Dank Jens für Deinen interessanten Bericht.
Das Reich der Mitte und auch Tibet hatte ich auch schon länger im Visier.
Aber schon vor Jahren, hab ich aufgrund der widerwärtigen chinesischen Tibetpolitik, die schon falst als Pogrom oder Genozid bezeichnen kann, immer davon Abstand genommen.
Zur Zeit gibt's ja wieder heftige Debatten, ob die Politik so eines Landes mit dem olympischen Gedanken vereinbar ist.

Ich als Tourist stelle mir die Frage, ob ich eine chinesische Diktatur durch einen Besuch unterstützen soll, ohne vorerst eine Antwort auf diese Frage zu haben.
Wie ist denn Eure Meinung dazu ?

Rastlos

Zitat von: hannes am April 19, 2008, 22:00:54
Ich als Tourist stelle mir die Frage, ob ich eine chinesische Diktatur durch einen Besuch unterstützen soll, ohne vorerst eine Antwort auf diese Frage zu haben.
Wie ist denn Eure Meinung dazu ?
Ich weiss nicht, ob wir die Diskussion hier oder in einem anderen Forum schon mal hatten  :icon_scratch:  Dabei ging es um Burma und die gleiche Frage: Soll ich das Regime durch einen Besuch unterstützen oder das Land lieber ganz meiden.

Ich finde - und das ist nunmal meine ganz persönliche Meinung - das man sich wegen politischer Dinge nicht davon abhalten lassen sollte, ein Land zu bereisen (Krieg im Land ist natürlich etwas anderes!). Die Bevölkerung kann in den meisten Fällen, gerade in solchen Ländern wie China, Burma etc., recht wenig für die politischen Entscheidungen. Andererseits hängen aber viele einfache Existenzen vom Tourismus ab und wenn man nun die politische Leitung durch das Fernbleiben strafen möchte, dann trifft man eigentlich nur die einfach Bevölkerung, nicht aber das System.

Ein "Tourismus-Boykott" ist daher meiner Meinung nach der falsche Weg.
Wer rastet der rostet und es gibt einfach zu viel Schönes auf unserer Erde zu entdecken!
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Tobi

#2
kann jens hier voll zustimmen, man muss in solchen ländern nur etwas genauer hinschauen wem man sein geld gibt. dass das system langfristig (über steuern, benzin, eintrittsgelder etc) auch vom tourismus profitiert, ist klar. trotzdem kann man leuten dort am ehesten helfen, wenn man sie unterstützt, also in ihre restaurants geht und touristenpreise für essen zahlt, was ich auch zu 99% tue. denn ich kann mir 5$ für ein essen leisten, auch wenn es den einheimischen nur 50cent kostet. auch wenn der sich denkt "wieder einen über den tisch gezogen". was nicht so oft vorkommt, denk ich. auf jeden fall kann der mit den 5$ mehr anfangen als ich. daheim kostet mich so ein essen meist 15$. ich schweife mal wieder ab.......zurück zumm thema, wer also aufpasst, dass er mit privaten bussen fährt, mit nichtstaatlichen booten unterwegs ist und versucht um die eintrittsgelder rumzukommen, kann solche länder mit gutem gewissen bereisen. ein boykott bringt der bevölkerung erst mal garnix. langfristig wird das system dann zwar sehen, dass es durch tourismus kein geld mehr verdienen kann, aber geht es deswegen in die knie? nein, es sucht sich andere einnahmequellen. drogenhandel, bevölkerung noch stärker ausnehmen, freihandelszonen mit konzernen einrichten und die sklaverei neu erfinden..... solche regierungen sind da sehr erfinderisch, und außerdem haben sie meist keine scheu vor dingen, die bei uns unter "das kann man doch nicht machen" laufen...

china und der olympia-boykott sind hier dann aber wieder eine ganz andere seite, da kann man ja jetzt auch langfristig was bewirken, vor allem als promi (wie der kölner OB), wodurch das thema sensibilisiert wird, und so eine größere informationsfläche entsteht. olympia ist zwar nicht staatlich, absolut das gegenteil ist der fall, china baut es zur zeit aber als SEIN ereignis auf. als privatperson kein thema, hingehen und eben so aggieren wie oben beschrieben. als politiker etc. kann ma aber nicht umhin als entweder hinzugehen und grinsend auf dem podest neben den parteifunktionären zu stehen und hände zu schütteln, oder es eben nicht tuen. also lassen dies nun einige. von ihnen verlangen mit free-tibet t-shirt auf dem podium zu stehen kann keiner, auch wenns eine gelungene aktion wäre  :icon_mrgreen:

tobi

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hannes

Ist der Tourismus nicht im überwiegenden Maße staatlich in China ?
Zumindest in Tibet war (ist) das so.
Da gab's nur offizielle Touren mit staatlicher Begleitung und horrenden Preisen.
Von Mitreisenden wurde berichtet, daß die Tibeter aus dem Potala in Lhasa hinausgetrieben wurden, wenn Touristen ankamen, usw....

Und wie soll man sich als Firma verhalten. Geschäfte mit dem aufstrebenden Markt China .....
Die USA entrüstet sich, wie manche Länder nachwievor mit dem Iran Geschäfte machen können, aber mit China .....

Ich weiß Pecunia non olet ...

Tobi

#4
joa, als firma ist die sache natürlich wieder ganz anders, und geld stinkt nicht trifft da ganz gut zu, bei weltwirtschaft/china würd ich da sogar sagen, dass hier profit vor moral kommt, was leider ja öfters zutrifft. jeder denkt in seiner dimension. ich selbst kenne leute, die wortwörtlich argumentieren: "was interessierts mich, die wirtschaft wächst und wir leben gut davon". das werden später mal konzernleiter, denn auch bei solchen leuten gibt es nicht minder intelligente personen. in china aufspringen ist zurzeit eben eine sehr einfache, effektive art den gewinn zu steigern, und das ist das ziel jedes unternehmens. oft muss schnell entschieden werden um im geschäft zu bleiben. es gibt zwar alternativ-methoden zu solchen lösungen, aber meist sinddiese wesentlich langfristiger umzusetzen. bis sie greifen hat die konkurenz, welche in china investiert hat, den markt längst unter kontrolle. also muss man ebenso schnell agieren. und zieht mit, geht nach china, und nimmt in kauf was dort passiert.
es läuft nicht immer so, bestimmt gibt es auch firmen, die nicht aus zwang oder konkurenzdruck dorthin gehen, sondern allein aus gewinnoptimierung, auch wenn sie daheim genauso führend mitspielen könnten. da bestimmt dann wieder mal der aktionär. ökonomie vs. ökologie

wie das tourismussystem in china funktioniert weiß ich leider nicht, wenn da alles staatlich läuft ist mein konzept natürlich schwer umzusetzen. kann mir das aber irgendwie nicht ganz vorstellen, da es auch auf kuba und in burma oft genug die möglichkeit gab sich mit privatleuten zu organisieren. auch illegale aktionen, wie übernachten in nicht registrierten pensionen (zahlen keine abgaben auf übernachtungsgäste), werden meist von einheimischen angeboten, nicht vom touristen verlangt. dabei besteht natürlich auch immer ein risiko für beide seiten, was auch nicht jeder auf sich nehmen will.
wenn in china also touristisch wirklich alles staatlich läuft, wäre es für mich ein touristisches nogo.

jens war schon da, wie ist das da so?

tobi
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Rastlos

#5
Zitat von: Tobi am April 20, 2008, 13:19:17
joa, als firma ist die sache natürlich wieder ganz anders, und geld stinkt nicht trifft da ganz gut zu, bei weltwirtschaft/china würd ich da sogar sagen, dass hier profit vor moral kommt, was leider ja öfters zutrifft. jeder denkt in seiner dimension. ich selbst kenne leute, die wortwörtlich argumentieren: "was interessierts mich, die wirtschaft wächst und wir leben gut davon". das werden später mal konzernleiter, denn auch bei solchen leuten gibt es nicht minder intelligente personen.
Jetzt werft Ihr aber alles mögliche durcheinander und ich fühle mich schon fast direkt angegriffen - aber nur fast  :icon_wink:
Ich bin Geschäftsführer einer Importfirma, die hauptsächlich Geschäfte mit China und Indien macht - und das schon seit mehr als 10 Jahren. Das jetzt mit einem "Regime-Boykott" in einen Sack zu werfen ist leider absoluter Unsinn. Jeder kann ja mal gerne zu Hause alle seine Waren im Haushalt, seine Kleidung, Spielzeug etc. anschauen - der Großteil davon wird in Asien gefertigt. Jetzt stellt Euch mal vor, dass wäre nicht mehr der Fall, dann müssten diese Waren locker 3-5mal so teuer sein (und das kommt meistens nicht einmal hin!). Was DAS bedeutet, brauche ich bei der heutigen Kostenentwicklung und der damit verbundenen Probleme für Klein- und Normalverdiener wohl nicht zu erläutern. Also bitte nicht auf die Leute schimpfen, die Geschäfte mit China machen, denn JEDER (auch DU lieber Leser  :icon_wink:) profitiert davon und selbst die einheimischen Geschäftsleute haben teilweise unter der eigenen Politik zu leiden.
Geschäfte mit Asien haben - zumindest in meiner Branche - nichts mit Gewinnoptimierung bzw. -maximierung zu tun, sondern einzig und allein mit der Konkurrenzfähigkeit auf dem Markt bestehen zu können. Dazu braucht man nunmal günstige Einkaufspreise, welche man leider in vielen Branchen nicht in Europa, sondern nur in Asin bekommt.

Zitat von: hannes am April 20, 2008, 12:54:15
Ist der Tourismus nicht im überwiegenden Maße staatlich in China ?
Zitat von: Tobi am April 20, 2008, 13:19:17
wenn in china also touristisch wirklich alles staatlich läuft, wäre es für mich ein touristisches nogo.
jens war schon da, wie ist das da so?
Also mir ist jetzt nicht bewusst aufgefallen, dass dort der Tourismus in irgendeiner Art und Weise staatlich wäre. Ich konnte wie anderswo auch meinen privaten Fahrer engagieren und mit ihm einen fairen preis aushandeln, konnte auf den einheimischen Märkten einkaufen, in einheimischen lokalen essen etc. Klar kosten die Sehenswürdigkeiten Eintritt (bei uns ja auch), aber ich bezweifel, dass der Eintritt nur dem Staat zu Gute kommt. Man kann auch problemlos seine Inlandsflüge und Hotels selber buchen, ist also nicht auf irgendwelche Tourvranstalter - ob nun staatlich oder nicht - angewiesen.
Von daher würde ich persönlich anzweifeln, dass der Tourismus in China hauptsächlich staatlich ist.
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Tobi

@jens, bezüglich wirtschaft:
dass die asiatischen länder unheimlich wichtig sind ist völlig klar, ich wollte damit auch genau das sagen was du hier erklärst, es geht nicht ohne, weil eben der konkurenzdruck sonst zu stark wäre. und klar hab ich produkte aus china hier, geht nicht ohne. ich hab ja gesagt, dass die alternativ-methoden zu lange dauern, um ernsthafte konkurenz zu der möglichkeit, in den asiatischen raum zu investieren, darzustellen. ich will auch niemanden veruteilen der da jetzt geschäfte macht, da jeder immer den einfachsten weg geht, wenn möglich und mit dem gewissen vereinbar.

vor einigen jahren hat ma auch noch gesagt, dass bio-produkte deswegen so teuer wären weil es so kompliziert ist sie getrennt von den normalen zu produzieren, die ganze industrie muss quasi doppelt her, normal-fleisch und bio-fleisch, etc. heute ist ein markt da und es boomt. seit öko gesellschaftsfähig ist, zeit wurde es. tendenz steigend.
vor einigen jahren wurde die klimadeabtte nur von einigen "alternativen ökos" ernstgenommen, wer bei greenpeace war, wurde gefragt warum man denn keine dreadlocks habe (vorsicht, klischee-witz :icon_mrgreen:). heute ist das thema für jederman wichtig und wird sogar von der cdu behandelt, welche vor 10 jahren die grünen noch stark belächelten....
man sieht, es kommt auch schwung in den markt, der nicht sofort der für den billigsten preis, sondern auch für die qualität oder den lebensstandard ist. langsam kaufen die leute energiesparlampen WIRKLICH um das klima zu schützen, nicht nur um die stromrechnung zu drücken.

ich denke es ist genauso ein markt da für produkte aus "menschenwürdigen regimen". so wie das biosiegel. wenn ich als hersteller also entscheiden kann, ob ich chips aus china oder europa nehme, dann eben die teureren aus europa. dafür bekomm ich den stempel. das produkt wird teurer, und anfänglich absolut in der nische stehen, aber ich, der konsument, würd mich freuen. und auch das teurere kaufen. wenn ich die wahl habe. wenn es zb eine digicam mit gleichen werten geben würde, und die eine nen stempel " :icon_mrgreen: von glücklichen menschen produziert :icon_mrgreen:" tragen würde, aber nen hunderter mehr kosten würde, wäre es mir das wert. erfüllt aber die chinesische meine zwecke besser nehm ich natürlich die. soooo konsequent bin ich dann nicht, aber wnn die leistung gleich, oder besser ist, nur der preis teurer, dann immer das mit stempel. bei lebensmitteln verfahr ich ähnlich. fleisch kauf ich nur noch bio, warum wäre jetzt zu lange, aber ich bekomm gleiche bzw bessere qualität muss aber mehr zahlen, hab also die wahl. dann zahl ich mehr. gerne. das - auf den technikmarkt bezogen - sind zB langfristige methoden. aber die sind sehr langfristig.....
im kleinen maßstab schaffen wir das ganze ja auch: wenn ich weiß, dass der metzger um die ecke ein gewalttätiger, mieser sack ist, dann kaufe ich bei dem keine schnitzel. auch wenns die besten sind. aber ich helfe seinen opfern wo ich kann. wenn die opfer den ort nicht verlassen wollen, weil ihre kulturellen wurzeln in dem ort/metzgerei sind, dann muss man den leuten gegen den metzger helfen.

tobi
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hannes

Jens, niemand wollte Dich hier angreifen.
Nur mal die Problematik aufzeigen mit solchen Regimen Geschäfte zu machen.

Die asiatischen (Schwellen ?) länder können natürlich relativ leicht sehr kostengünstig produzieren.
Müßten sie die gleichen Sozial- und Umweltstandards wie hier in Mittel- oder Westeuropa einhalten, dann ginge dies natürlich ebenso wenig.
Anders gesagt unsere hohen Standards hindern den Westen daran kompetitiv zu sein.
Kauft man Produkte, Dienstleistungen aus diesen Ländern führt dies zwangsläufig auch zum Sozial- und Umweltdumping auch hier.
Dieses Sozial- und Umweltgefälle gibt's ja auch mitten in der schönen EU.
Schon seit Jahren lagern Firmen ihre Produktion (und nicht nur Produktionsbetriebe, auch Dienstleistungsfirmen) in die EU-Erweiterungsländer aus genau diesen Gründen aus.

Wenn der Konsument hier mitmacht und die günstigen Preise konsumieren will, dann führt das zwangsweise zu einer wirtschaftlichen Umverteilung.
Profitieren tun dann kurzfristig natürlich nicht nur die Importfirmen, sondern auch die Konsumenten.
Mittel- oder Langfristig schädigt sich dieser Billigkonsoument jedoch auch selbst, wenn er die heimische Wirtschaft zu Gunsten der billigeren Produkte schwächt und damit auch seinen eigenen Arbeitsplatz gefährdet.
Fluch der Globalisierung.

Nun zum Tourismus:
Den staatlichen Tourismus habe ich auf Tibet bezogen. Und das kenne ich auch nur von Gesprächen mit anderen (Tibet)Reisenden.
Dort war es offenbar immer nur möglich etwas mit einer staatlichen Organisation zu unternehmen.
Wir Auslandsreisende leisten ja auch unseren Beitrag, daß die heimische Tourismuswirtschaft geschwächt wird und sägen auch ein Stück von dem Ast ab auf dem wir selber sitzen ..... ;)

Rastlos

Zitat von: hannes am April 20, 2008, 19:15:55
Jens, niemand wollte Dich hier angreifen.
Das weiss ich doch, mein Spruch diesbezüglich war auch nicht ganz ernst gemeint.  :icon_wink:
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